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Homo neandertalensis - Der Neandertaler

Nachbildung eines Neandertalers (Neanderthal-Museum) Rekonstruktion eines Neandertalers anhand des Skeletts

public domain-Lizenz: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Neandertaler-im-Museum.jpg&filetimestamp=20090922163842 , Urheber: Ökologix

 

Verbreitungsraum und -zeit

Der Neandertaler lebte vor ca. 300.000 bis vor ca. 30.000 Jahren. Er war hauptsächlich in Europa, aber auch in Westasien und dem nahen Osten beheimatet. Der Name Homo neanderthalensis stammt von dem Fundort von 16 Knochenfragmenten im Neandertal in der Nähe von Mettmann 1856 ab. Zwar wurden schon 1829 die ersten Überreste von Neandertalern entdeckt, aber nicht als solche erkannt. Erst 1856 ordnete man die Knochenfunde der neuen Art Homo neanderthalensis zu.

-Einordnung: nach Homo erectus, direkter Vorfahr: Homo Heidelbergensis

-bewiesene Nachfahren von Neandertaler und Homo sapiens; d.h. wir tragen Neandertaler-DNA in unserem Erbgut

Fundorte von Neandertalerknochen
Quelle Bild: Creative-Commons-Lizenzen „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.5 generisch“, „2.0 generisch“ und „1.0 generisch“: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/f/f9/Carte_Neandertaliens_classiques-de.svg/500px-Carte_Neandertaliens_classiques-de.svg.png
Urheber: Furfur


Körperbau und körperliche Merkmale

Der Körperbau des Neandertalers ist aufgrund von mehr als 300 Skelettfunden gut erforscht. Neandertaler wurden ca. 1,55-1,65 Meter groß und wogen trotz der etwas geringeren Größe im Schnitt mit 50-80 kg eben so viel wie der heutige Mensch Homo sapiens. Dieses relativ hohe Gewicht kommt durch die Muskelmasse zustande, die beim Neandertaler größer war als die eines modernen Menschen. Dies lässt sich an den Muskelansätzen an den breiteren Beckenknochen, den im Verhältnis zu den Oberschenkeln kurzen Unterschenkeln, die dafür aber belastbarer gebaut waren, und am Brustkorb bzw. Schulterblättern erkennen. Der Schädel mit den ausgeprägten Überaugenwülsten, der flachen Stirn, der breiten Nase und dem starken Kiefer war mit im Mittel 1400 Kubikzentimetern etwas größer als der des heutigen Menschen, auch das Gehirn war etwas größer.

Vergleich zwischen Homo sapiens sapiens und Homo neanderthalensis

 Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/67/Neanderthal_and_Homo_sapiens_sapiens.jpg,
Urheber: Wapondaponda

 

Der gedrungene Körperbau des Neandertalers ermöglichte ihm bessere Überlebenschancen während Kälteperioden, da der Körper durch ein günstigeres Verhältnis von Volumen zu Körperoberflache (siehe auch Bergmannsche Regel) nicht so schnell auskühlt. Zudem kannten die Neandertaler schon kulturelle Errungenschaften wie z.B. die Herstellung von einfacher Kleidung aus Tierpelzen und die Errichtung von Windabweisern um ihre Lagerplätze herum. Die Neandertaler konnten auch schon Feuer entfachen und behüten, was ihnen einen klaren Vorteil einbrachte. Zum einen verbesserte sich durch das anbraten des Fleisches, der hauptsächlichen Nahrung der Neandertaler, die Qualität, da Keime etc. durch die Behandlung mit Hitze abgetötet werden, zum anderen konnten die Neandertaler sich am Feuer wärmen. Auch diente ihnen das Feuer zur Herstellung von Birkenpech aus der Birkenborke, mit dem sie weitere Werkzeuge herstellen konnten.

- Alltag: soziale Verbände; Kümmern umeinander, Angehörige pflegen kranke/ verletzte Verwandte (an Knochen/Skeletten verheilte Verletzungen gefunden), Rituale; Bestattungen der Toten: Friedhöfe gefunden, aber wenige Grabbeilagen

- Größe: Männer: 1,67 m, Frauen: 1,60 m, durchschnittliche Lebenserwartung: 30-40 Jahre; nur jedes zweite Neandertalerkind wurde älter als fünf Jahre (gefährliches Leben)

- muskulös und robust, eher gedrungen, massive Knochen (Anpassung an eher kälteres Klima, eiszeitliche Kältesteppen und extreme klimatische Veränderungen)

- Haar-und Hautfarben variabel; auch hellhäutige, blonde, rothaarige Neandertaler (ähnliche Varianz wie bei Homo sapiens)

- Gelenke und Ansatzstellen der Knochen sind kräftig, auch bei Kindern; also genetisch bedingt

- relativ lange Arme, Beine im Vergleich zu Homo sapiens kürzer

- größere Brust/ Brustkorb

- kräftige Arme, breites Schulterblatt (große Ansatzstelle für Muskeln; Arme schwingen)

- unterer Teil des Körpers tendenziell kürzer, breites Becken und kurze Taille, kräftige leicht gekrümmte Beinknochen, Schienbeine etwas kürzer

- Schädel: langer, flacher Hirnschädel; weit ausgezogener Hinterkopf, größeres Hirnvolumen, (möglicherweise besser ausgeprägter seh- und Gehörsinn), kräftiger Kauapparat, sehr große Nasennebenhöhlen (vermutlich zum Vorwärmen der kühlen Luft)

- Gesicht: starke Überaugenwülste, nach vorne springendes Mittelgesicht, schwach ausgeprägtes Kinn, breite Wangenknochen

 

Werkzeuggebrauch des Neandertalers

Zweiseitig bearbeiteter Schaber

 Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2a/Mousterian_tool_1_form_Syria_(University_of_Zurich).JPG
Urheber: Guérin Nicolas

Der Homo neanderthalensis nutzte schon recht ausgefeilte Werkzeuge. Er benutzte zwar auch Faustkeile wie seine Vorfahren Homo erectus und Homo heidelbergensis, allerdings entwickelte er auch andere Werkzeuge, wie z.B. Schaber, Spitzen und Bohrer. Er stellte kleinere Werkzeuge aus Stein her, mit denen er Holz bearbeiten konnte, um damit wiederum andere Werkzeuge oder Waffen wie Speere mit Steinspitzen oder Beile mit Steinschneide herzustellen. Dabei hat der Neandertaler die Steinspitzen wahrscheinlich mit dem gewonnenen Birkenpech mit den Holzschäften verbunden.
Die Herstellung der von den Neandertalern benutzten Werkzeuge erforderten höchstes Geschick und sorgfältige Planung. Zuerst mussten geeignete Steinrohlinge gefunden werden. Dazu musste der Neandertaler schon genau im Kopf haben, was er herstellen wollte. Danach fertigte er durch Schläge mit einem anderen Stein eine oder mehrere Steinklingen von fast exakter Größe und Form.
Lange Zeit hat man auch geglaubt, dass der Neandertaler keine Kleidung herstellen konnten, da keine Nadeln mit Nadelöhren gefunden wurden, mit denen man die Kleidung zusammennäht. Allerdings wurden Ahlen gefunden, also stabile Nadeln ohne Nadelöhr, mit denen Löcher durch die Tierfelle gestochen werden konnten. Nachher wurden die Tierfelle dann mit Sehnen, die durch die gestochenen Löcher gefädelt wurden, zu Kleidung zusammengebunden. 

- Merkmale eines „modernen Lebens“: Anpassung an verändernde Umwelt, Werkzeuggebrauch, Vorausdenken (geschickte Jäger), hatten Arzneipflanzen und vermutlich auch Kleidung (wegen Kälte), eventuell auch Höhlenmalereien

 

Ernährung des Neandertalers

Der Neandertaler nutze seine durch die ausgeklügelte Herstellung für die damaligen Verhältnisse effektiven Waffen, wie z.B. die Speere mit Steinspitzen, zur Jagd. Die Neandertaler waren extreme Fleischfresser, wie eine Untersuchung der Stickstoff- und Kohlenstoffwerte in Neandertalerknochen zeigte. Im Vergleich zu Tieren wie Wölfen wurden annähernd die gleichen Werte ermittelt, d.h., dass die Neandertaler sowohl Fisch als auch pflanzliche Nahrung nur im Notfall zu sich nahmen. Ihre Nahrung kochten oder brieten sie über Feuerstellen, sodass die Qualität der Nahrungsmittel verbessert wurde.

- Jagd: gute und geschickte Jäger, ausgefeilte Jagdtechniken; jagen selektiv, auch Großwild als Beute, breites Nahrungsspektrum (Muscheln, aquatische Tiere, Säugetiere und Pflanzen)

 

Sprache des Neandertalers

Bis heute ist noch nicht genau belegt, ob Neandertaler sprechen konnten. Sowohl Fossilfunde, als auch die Teilanalyse der Neandertaler-DNA brachten jedoch diverse auf eine Sprachfähigkeit hindeutende Indizien. Analysen ergaben, dass Neandertaler ähnlich wie der moderne Mensch das FOXP2-Gen besaßen, welches man heutzutage als Grundlage zur Entwicklung von Sprache und Sprechfähigkeit sieht. Zudem wurde im Jahr 1983 in der Kebara-Höhle in Israel erstmals das Zungenbein eines Neandertalers gefunden, welches die anatomische Vorraussetzung zum Sprechen darstellt.

- Kommunikation: eventuell Sprache (Fund eines Zungenbeins in Israel); vermutlich auch Kommunikation durch Körperbemalungen

Verwandtschaft zum modernen Menschen

Nach anfänglicher Forschung lehnten die damaligen Forscher eine Verwandtschaft des modernen Menschen mit dem Neandertaler noch ab. Mittlerweile ist belegt, dass der Neandertaler und der Homo sapiens im Homo erectus einen gemeinsamen Vorfahren haben. Der Homo erectus war in Afrika beheimatet, doch in mehreren Ausbreitungswellen gelang dieser vor ca. 600'000 Jahren auch nach Europa. Dort entwickelte er sich über die Zwischenstufe Homo heidelbergensis zum Neandertaler. Aus den in Afrika verbliebenen Homo erectus entwickelte sich vor ca. 200'000 Jahren der arachaische Homo sapiens aus dem Homo erectus. Trotz des gemeinsamen Vorfahren lebten der Neandertaler und der Homo sapiens mehrere hunderttauschend Jahre räumlich getrennt, bis der moderne Mensch vor ca. 40'000-45'000 Jahren aus Afrika nach Europa einwanderte. Heutzutage geht man davon aus, dass die Entwicklungslinie der beiden Arten sich vor ca. 440'000 bis 270'000 Jahren getrennt haben.

 

Vermischungshypothese

Neandertaler und Homo sapiens haben ungefähr zehntausend Jahre nebeneinander in Europa gelebt, was nahe aneinander liegende Fundorte der jeweiligen Arten beweisen. Daher stellte sich die Frage, ob sich beide Arten miteinander vermischt haben. Der amerikanische Forscher Erik Trinkaus sieht in dem in Portugal gefundenen Skelett eines vierjährigen Mädchens ein „Mischlingskind“, da es sowohl Merkmale eines Neandertalers (nach hinten fliehendes Kinn) als auch des modernen Menschen aufweist. Doch die Mehrheit der Paläanthropologen lehnt die Hypothese ab, da das sogenannte "Mischlingskind" eher ein Beweis für die gemeinsame Abstammung vom Homo erectus ist, als das Ergebnis einer genetischen Vermischung.

 

Genom-Analyse des Neandertalers

Mitte der 1990er Jahre begann Svante Pääbo mit einer Arbeitsgruppe vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie Methoden zu entwickeln, um fossile DNA, welche auch aDNA genannt wird, aus Neandertalerknochen zu gewinnen. Als Material benutzten sie diverse Neandertalerskelette, besonders die aus der Vindija-Höhle (Kroatien) stammenden Bruchstücke eines Neandertalerschienbeins. Im Februar 2009 wurde bekannt gegeben, dass 60% des Neandertalergenoms entschlüsselt worden wäre. Der anschließende Vergleich mit menschlicher DNA aus verschiedenen Erdteilen ergab, dass nur ca. ein bis vier Prozent des menschlichen Genoms vom Neandertaler stammt. Studien von Prof. Laurent Excoffier von der Schweizerischen Institut für Bioinformatik (SIB), bei welchen er die Kreuzung der beiden Arten mithilfe exemplarisch ausgewählter DNA des Menschen mit der herausgefundenen DNA des Neandertalers simulierte, zeigten, dass die Erfolgschance einer Kreuzung unter 2% lag und daher eine Kreuzung starke Einschränkungen für den Genfluss zwischen den zwei Spezies bedeuten, sodass aufgrund dieser niedrigen Erfolgschance der geringe Anteil an Neandertalgenom in unserem menschlichen Genom erklärbar sei.

 

Aussterben des Neandertalers

Die genauen Gründe für das Aussterben der Neandertaler ist noch unbekannt, dennoch gibt es verschiedene Vermutungen. Die aktuellste Vermutung ist, dass sich die Neandertaler in einer sogenannten "bottle-neck" Situation befanden, also Bevölkerungsengpässe vorhanden waren, so dass die Fortpflanzung nicht mehr ohne Schwierigkeiten möglich war. Hinzukommt, dass Neandertalerkinder erst mit drei Jahren entwöhnt wurden und damit ein Jahr später als die Kinder des Homo sapiens, wodurch der Zeitraum zwischen zwei Geburten bei Neandertalern länger war. Die größere Anzahl des Homo sapiens Nachwuchs sorgte auf Dauer dafür, dass der Neandertaler immer weiter verdrängt wurde, bis dieser dann endgültig ausstarb.