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Name:
Maximilian Vieres 2017-01
Lisa Appel, 2022-01

 

Epigenetik

Die Epigenetik ist ein Spezialgebiet der Genetik. Sie befasst sich mit Mechanismen und Folgen von temporären Chromosomenmodifikation, bei denen die DNA-Sequenz nicht verändert wird. Ein Ziel der Forschung ist es u.a. herauszufinden, wie sich totipotente Stammzellen im Laufe des Lebens des Organismus zu Körperzellen mit bestimmter Funktion entwickeln und dabei erworbene Eigenschaften der Eltern vererbt werden.

Die Epigenetik untersucht Veränderungen, die nicht auf die DNA-Sequenz zurückzuführen sind, wie es etwa bei Mutationen der Fall ist.


Beispiele für epigenetische Vererbung

1.

1. Besonders gut lässt sich dieses Phänomen anhand eines Experiments von amerikanischen Forschern verdeutlichen:
Sie lehrten Mäuse, einen bestimmten Geruch namens Azetophenon zu meiden, indem man ihnen einen leichten elektrischen Schlag auf die Fußsohlen verpasste, sobald der Geruchsstoff versprüht wurde. Die Männchen paarte man dann mit den nicht behandelten Weibchen und stellte fest, dass die Nachkommen der F1-Generation automatisch eine Abneigung gegen den Geruchsstoff empfunden haben. Gleiches trat bei den Nachkommen der F2- Generation auf. Danach war dieses Phänomen jedoch nicht mehr zu erkennen. Um die nötigen Erklärungen für dieses Ergebnis der Untersuchung zu erhalten, untersuchten die Forscher das Rezeptor-Protein für den verwendeten Geruchsstoff Azetophenon und das jeweilige Gen.
So zeigte sich, dass bei den Nachkommen derjenigen Mäuse, die im Labor behandelt worden sind, eine größere Anzahl an Riechsinneszellen und dem Rezeptorprotein auftraten.

2. Als weiteres Beispiel passt ein Experiment mit einer Bienenkönigin und ihren Arbeiterinnen:
Genetisch sind die Arbeiterinnen und die Königin nahezu identisch. Dennoch leben die Arbeiterinnen deutlich kürzer und sind zudem unfruchtbar. Diese weisen nämlich bei ca. 1500 Genen im Gehirn ein anderes DNA-Methylierungsmuster auf, das auf die Ernährung zurückzuführen ist.

3. Im Winter im Jahre 1944/1945 kam es besonders in den Niederlanden durch den 2. Weltkrieg zu einer großen Hungersnot. Forscher hielten anschließend über ein halbes Jahrhundert die Geburtsdaten und die Gesundheitswerte der Personen bis in ihr Erwachsenenalter fest, die in dieser Zeit geboren worden waren, und verglichen diese Werte mit denen derjenigen, die vor oder nach der Hungersnot zur Welt gekommen waren.
Man stellte fest, dass aufgrund der Nahrungsmittelknappheit die Kinder ein sehr niedriges Geburtsgewicht hatten, da die Mütter oft an Unterernährung litten. Als Erwachsene waren aber viele dieser im Krieg geborenen stark übergewichtig. Außerdem fand man heraus, dass die Betroffenen später oft anfälliger für Typ-II-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren. Ebenfalls interessant ist, dass auch bei der weiteren Generation ein erhöhtes Risiko für diese Krankheiten festgestellt wurde.

 

Ursachen der epigenetischen Vererbung?

Epigenetischen Merkmale werden generationsübergreifend weitergegeben. Man kann also vermuten, dass diese genannten Veränderungen nicht aus einem Unterschied in der Sequenz der DNA, sondern aus den damaligen Lebensbedingungen der Eltern hervorgehen. Zu den Lebensbedingungen zählen u.a. Ernährung, Stress, Angst usw.

 

Wodurch wird die Aktivität eines Gens und die Entwicklung einer Zelle temporär festgelegt?

Als Grundlage lassen sich chemische Veränderungen am Chromatin (=Komplex aus DNA und Histonen) anführen, die also die DNA nicht in ihrer Basensequenz verändern. Folglich sind die epigenetischen Prägungen nicht im Genotyp erkennbar, sondern lediglich im Phänotyp, also dem äußeren Erscheinungsbild des Lebewesens. Als Grund sind hier meist Umwelteinflüsse anzuführen. Die DNA wird enzymatisch methyliert und demethyliert, besonders im Bereich der Base Cytosin nahe dem Promotor. Folgen sind epigenetische Veränderungen in der Regulation der Genaktivität, die jedoch reversibel (=rückgängig) sind.
Zudem unterscheidet man zwischen Veränderungen von Zelle zu Zelle (mitotisch) und von Generation zu Generation (meiotisch).

DNA-Methylierung

DNA- Methylierung


Einführung in den Verpackungszustand der DNA

Der DNA-Komplex besteht aus zwei Teilen: Dem DNA-Faden ansich und den Histonen, die den DNA-Faden struktiurieren. Histone werden umgangssprachlich als „Verpackungsmaterial“ bezeichnet. Hierbei wickelt sich die DNA tausende Male um das jeweilige Histon; das entstandene Gebilde wird Nucleosom genannt.
 

Nukleosmen Struktur

Nukleosomen Struktur

Quelle Bild: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license by Wikicommonsuser Richard Wheeler (Zephyris) & Rekymanto https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nucleosome_structure-2.png

Histone definieren somit den „Verpackungsgrad“ / epigenetischen Marker des DNA-Abschnittes. Der Verpackungsgrad hat direkten Einfluss auf die Genexpression.
 


Wie funktioniert dieser epigenetische Mechanismus?

Histone haben Proteinschwänze, die nahezu alle Eigenschaften des DNA-Komplexes kontrollieren.
Damit die DNA-Polymerase die Basen ablesen kann, muss die DNA-Region in „lockerer“ Form (auch Euchromatin genannt) vorliegen; bzw. der Verpackungszustand muss geändert werden. Das geschieht durch Acetylierung (oder Phosphorylierung) der Histon-Proteinschwänze, wobei die angehängte Acetylgruppen die positiven Ladungen aufheben. Es kommt zu einer Destabilisierung des DNA-Moleküls.
Konträr dazu kann man eine höhere Verpackungsdichte erreichen, indem man Acetylgruppen reduziert oder Histone methylisiert. Solche Bereiche werden als Heterochromatin bezeichnet. Das Heterochromatin kann somit nicht mehr von RNA-Polymerasen abgelsen werden.

Regulation der Nukleosomen

Regulation der Nukleosomen


Quelle Bild: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“  by wikicommonsuser Bernard Kleine; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:NucleosomeRegulation.png

 

Wann, wie und wo tritt Epigenetik auf?

Die Methylierung von Histonen tritt vor allem bei Wirbeltieren auf. So stellten Forscher des Nationalen Spanischen Krebszentrums fest, dass bei jungen Zwillingen die Genaktivität nahezu gleich ist. Im Alter dagegen ist die Genaktivität bei identischem Erbgut fundamental unterschiedlich. Umwelteinflüsse bestimmen die Art der Methylierung der Histone. Z.B. sind im menschlichen Genom 90% des Erbgutes nicht kodierende und repetitive Bereich, die durch Methylisierung deaktiviert wurden. Dies geschah im Laufe der Evolution, da jene epigenetischen Marker -gemeint sind die Histone mit diversen Methylgruppen- bei der DNA-Replikation und der Keimzellenbildung mitkopiert werden, so dass epigenetische Veränderungen von einer Zellgeneration an die nächste weitergegeben werden können.


Beispiele für epigenetisches Gedächtnis

Ein Beispiel für das epigenetische Gedächtnis sind die Nachkommen des Hungerwinters 1944/1945. Die von der Nahrungsknappheit betroffen Mütter gebaren untergewichtige Kinder. Diese litten später jedoch überdurchschnittlich oft an Schizophrenie, Depressionen und Diabetes. Auch die Nachkommen dieser Generation waren unterdurchschnittlich groß und schwer, obwohl diese in Zeiten ohne Nahrungsknappheit gezeugt wurden. Die DNA der Enkel enthielt also Informationen über die Lebensbedingungen der Großeltern, welche durch epigenetische Veränderungen weitergegeben wurden.
Des Weiteren vermuten Wissenschaftler, dass epigenetische Veränderungen im Mittelalter dazu beitrugen, dass die Nachkommen von Generation zu Geberation besser an den jeweiligen Beruf angepasst waren. So konnte die DNS eines Schmieds, dessen Vater und Großvater ebenfalls Schiede waren, u.a., mit einer größeren Muskelmasse, sich der harten körperlichen Arbeit besser anpassen
 
Genauere Angaben können aber noch nicht getätigt werde, da die Forschung zum jetzigen Zeitpunkt nur rudimentäre Erkenntnisse besitzt und weitere Experimente gemacht werden müssen.


Was bewirkt nun die Epigenetik?

Durch die Aktivierung/ Deaktiverung von Genen spart der Körper Zeit und Energie, da nur das abgelesen wird, was gebraucht wird. Somit wird die Effektivität gesteigert.
Die Hauptaufgabe ist jedoch der Schutz des Genoms. Durch die Methylierung werden genetische Eindringlinge stumm geschaltet. Zerstört man experimentell die Methylierung von Histonen, so steigt die Mutationsrate an und invasive Elemente werden aktiv.


Ausblick

In der Zukunft könnten mit Hilfe der Epigenetik Methoden entwickelt werden, Tumore zu bekämpfen. Dazu benötigt man aber eine „Landkarte“ des menschlichen Erbguts, um zu bestimmen, welche Methylierung welche Folgen mit sich bringt. Dabei kommt aber die Tatsache zu Hilfe, dass bei Menschen die DNA-Methylierung auf Cytosin-Guanin-Sequenzen beschränkt ist; somit können Vorhersagen über produktive/schädigende Methylierungen getroffen werden. Wissenschaftler des Max-Blank-Instituts haben sogar schon ein bestimmtes Muster im Bereich von Krebszellen festgestellt.