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Name: Corinna Böcker/ Neslihan Celik

Das Kindchenschema

= eine Kombination von Körpermerkmalen, die bei Menschen respektive verschiedenen anderen Primaten zum unmittelbaren Erkennen eines kindlichen Entwicklungszustandes führt (und i.d.R. Zuwendung oder Betreuung veranlasst/herbeiführt)

Der österreichische Verhaltensforscher Konrad Lorenz beobachtete 1943 Tierbabys verschiedener Arten. Dabei fand er heraus, dass junge Tiere und kleine Kinder Merkmale besitzen, auf die ausgewachsene Tiere sofort mit einem "Fürsorgeverhalten" reagieren.

Zu den Merkmalen den Kindchenschemas zählen:

  • Große, dominante, gewölbte Stirn
  • Überproportional großer Kopf im Vergleich zu den Extremitäten
  • Relativ weit unten liegende Gesichtsmerkmale (Augen, Nase, Mund)
  • Besonders groß gezeichnete, runde Augen
  • Kleine, kurze oder ganz fehlende Nase (Manga, Anime)
  • Runde Wangen
  • Kleiner, zierlicher Unterkiefer
  • Kleines Kinn
=> Lorenz vermutete einen angeborenen Schlüsselreiz (allerdings ist bis heute nicht eindeutig geklärt, ob tatsächlich angeboren ist oder nicht, da es schwer zu erforschen ist.)
 

Neurobiologische Grundlagen des Kindchenschemas

Verhaltensstudien bestätigen die Wirkung des Kindchenschemas auf Erwachsene. Die neurobiologischen Grundlagen dieses sozialen Instinkts sind eine ansteigende Aktivität im Nucleus accumbens, einer Hirnregion, die als Belohnungszentrum bekannt ist, und weitere Areale, die bei der Gesichterverarbeitung und Aufmerksamkeit eine Rolle spielen.

Das Kindchenschema rufe zudem ähnliche Glücksgefühle wie die Droge Kokain hervor.

 

Evolutionsbiologische Betrachtung

Evolutionsbiologisch betrachtet bedeuten die genannten Merkmale für Kinder einen Vorteil. Die Eltern erkennen die Hilfsbedürftigkeit des Heranwachsenden und werden dadurch zu Schutz- und Pflegeverhalten animiert. Dass dies funktioniert, wies Thomas Alley 1983 nach: "Erwachsene verhalten sich gegenüber kindchenschemagerechten Merkmalen stärker schützend, fürsorglicher und weniger aggressiv, als sie sich gegenüber Merkmalen älterer Individuen verhalten."


Zur lange dauernden Großzucht der höheren Arten ist ein Mechanismus zur Bindung der Eltern an ihre Kinder notwendig.
Die Signale des Kindchenschemas zeigen artübergreifend eine starke Wirkung. Denn wir finden nicht nur menschliche Babys niedlich und süß, sondern ebenfalls Tierbabys. Außerdem wirkt das Kindchenschema auch in allen Kulturen in ähnlicher Weise.

 

Intensivität der Wirkung

Junge Frauen im Alter zwischen 19 und 26 Jahren zeigen sich als besonders ansprechbar, aber auch einige ältere Frauen, die sich noch vor den Wechseljahren befinden, reagieren stark auf das Kindchenschema. Frauen, die die Wechseljahre bereits hinter sich haben reagieren- ähnlich wie Männer- in deutlich geringerem Ausmaß als  jüngere Frauen auf das Kindchenschema. Beim männlichen Geschlecht hat das Alter keinen Einfluss auf die Urteilsfähigkeit. Wissenschaftler vermuten, dass weibliche Hormone die Erklärung für dieses Phänomen sein könnten.
--> Je höher der Spiegel der weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron ist, desto leichter fällt es den Frauen, Niedlichkeit in Kindergesichtern zu erkennen. Dass gerade Frauen vor den Wechseljahren sensibel auf das Kindchenschema reagieren, erscheint sinnvoll: Die Natur stellt sicher, dass Frauen sich um ihre Kinder kümmern.  

 

Werbung

Das Kindchenschema wird in der Werbung ebenso genutzt wie bei Spielzeugfabrikationen sowie Comic-Zeichnungen, um eine positive -oftmals ermunternde Gefühlsreaktion- oder Kaufbereitschaft hervorzurufen. Hierzu bedient man sich hauptsächlich der Tollpatschig-/ sowie Niedlichkeit. Das auf diese Weise genutzte Kindchenschema weckt den Beschützerinstinkt und bewegt einige dazu, das Produkt zu erwerben, damit es den Kleinen gut geht. Zudem kann es situationsbedingt auch aggressionshemmend wirken. 

Bekannt sind auch viele Zeichentrickfilme mit den entsprechenden Figuren (besonders in Disneyfilmen), als auch Mangas und Kuscheltiere, bei denen dieses Verwendung findet, um die Käufer unbewusst von dem Produkt zu überzeugen nachdem für eine gewisse Assoziation gesorgt wurde.

 
Bildquelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kindchenschema#mediaviewer/File:Kopfproportionen.svg

Die Änderung der Gesichtsproportionen beim Säugling, Kind und Erwachsenen

Bildquelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kindchenschema#mediaviewer/File:Figure_in_Manga_style.png

Das ästhetische Konzept, das Unschuld und Kindlichkeit betont, findet sich im japanischen Manga und Anime wieder (gesellschaftlicher Begriff: „kawaii“).