Name: Felix Günther, 2014

 

Geschichte der Evolutionsforschung und des Evolutionsgedankens 

Nach Schätzung von Biologen leben heute etwa 1,5 Mio. Tierarten und 400 000 Pflanzenarten auf dem Planeten Erde. Die Frage nach der Herkunft und Entstehung dieser unglaublichen Anzahl an Lebewesen beschäftigt schon seit jeher die Menschheit.

Bereits in der Antike sind Versuche zur Klärung dieser Fragestellung vorzufinden, die sich in den Schöpfungslegenden verschiedener Kulturen wiederspiegeln. Vor allem die Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments, die Gott als Schöpfer aller Arten betrachtet, prägte über Jahrhunderte hinweg bis ins Mittelalter das Weltbild der Menschen in Europa. Ebenso erklärte das antike Judentum und der Islam die Entstehung der Lebewesen mit einem durch Gott erfolgten Schöpfungsakt.

Im antiken Griechenland versuchten vor allem Naturphilosophen wie Thales von Milet (um 624-547 v. Chr.) und Aristoteles (384-322 v. Chr.) die Frage nach den Ursprüngen des Lebens zu beantworten. Xenophanes von Kolophon (etwa 570-480 v. Chr.) erklärte die Entstehung des Lebens in der Urschlammtheorie. Demnach sei das Leben in einer Zeit entstanden, in welcher die Welt nur aus Erde und Wasser bestanden habe. Beweise für seine Theorie sah Xenophanes vor allem in Funden von Muscheln und versteinerten Seetieren in Gebirgen im Binnenland. Aristoteles war der Ansicht, dass alle Lebewesen unveränderlich und auf Ewigkeit Bestand hätten. Die Annahme einer veränderlichen Natur und die damit verbundene notwendige Anpassung der Arten an ihre Umwelt, die im Kontrast zur Konstanzlehre Aristoteles' steht, ist aber auch bereits in der Antike vorzufinden. Der römische Dichter und Philosoph Lukrez beispielsweise greift diese Theorie in seinem Werk "De Rerum Natura" im 1.Jahrhundert vor Christus auf.

Im Mittelalter hatte die Schöpfungslehre weiterhin Bestand, wer dieser widersprach, riskierte als Ketzer verurteilt und hingerichtet zu werden. Das mit der Neuzeit einsetzende Zeitalter der Entdeckungen und das in diesem Kontext stehende Auffinden neuer Pflanzen- und Tierarten, schuf aber zunehmend eine Grundlage für die Entwicklung einer Theorie, die die Entwicklung der Arten, im Gegensatz zu der bisher angenommenen Konstanz, fokussierte.  Mit der Erfindung des Mikroskops und der Forschungsarbeit Louis Pasteurs konnte die Theorie einer spontanen Urzeugung der Lebewesen 1860 schließlich widerlegt werden. Pasteur bewies, dass Mikroorganismen in faulem Fleisch von außen in dieses hineingelangt sein mussten.

Bedeutend für die weitere Entwicklung des Evolutionsgedankens war die von Carl von Linné (1707-1778) entwickelte Klassifizierung der Arten im System der binären Nomenklatur. Eine Erfassung des immensen Artenreichtums der Erde und eine Gruppierung der Tier- und Pflanzenarten wurde nun ermöglicht. Darüber hinaus regte Linnés starres Festhalten an der Lehre von der Konstanz der Arten zu wissenschaftlicher Forschungstätigkeit an, die die Basis für eine zunehmende Verbreitung der Annahme einer evolutiven Entwicklung des Lebens schuf.

Georges Cuvier (1769-1832) erklärte mit seiner "Katastrophentheorie" das Aussterben vieler Arten. Ursache für dieses sei eine hypothetische Katastrophe gewesen. Eine Neubesiedlung sei durch die überlebenden Arten erfolgt, wodurch deren Population wieder angestiegen sei.

Bedeutende Vertreter der sich im 18. und 19. Jahrhundert zunehmend festigenden Evolutionstheorie, die eine dynamische Entwicklung des Lebens auf der Erde und die Abstammung aller Lebewesen von einem Urlebewesen in den Fokus rückte, waren Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829), Étienne Geoffroy de Saint-Hilaire (1772–1844), Charles Lyell (1797–1875), Charles Darwin (1809–1882) und Ernst Haeckel (1834–1919). Die Evolutionstheorie fand durch bedeutende Fossilienfunde im 19. Jahrhundert, wie dem Archaeopteryx (Urvogel,1860) und der Planorbis multiformis, einer fossilen Schneckenart aus dem baden-württembergischen Steinheimer Becken, zunehmend wissenschaftliche Bestätigung. Durch die Entwicklung neuer wissenschaftlicher Forschungsmethoden, wie der Gentechnik, die die Verwandschaftsgrade einzelner Arten und somit deren gemeinsame Abstammung belegte, konnte letztendlich die Evolutionstheorie genetisch bestätigt werden.

Moderne Evolutionstheoretiker, wie der Biologe Ernst Mayer (1904-2005), entwickelten mithilfe der modernen Wissenschaft Darwins Prinzip der Selektion zur synthetischen Evolutionstheorie weiter. Diese ergänzte die von Darwin entwickelte Theorie um neue Erkenntnisse aus den Forschungsgebieten der Populationsbiologie, Genetik, Zoologie, Botanik, und Paläontologie. Bis heute wird die synthetische Theorie der Evolution durch neue Erkenntnisse z.B. aus der genetischen Forschung und auch der verhaltensbiologie erweitert.    

 

Übersicht: Entwicklung des Evolutionsgedankens

Die Frage nach dem Grund für die Artenvielfalt auf unserem Planeten hat die Menschheit schon früh interessiert. Deswegen gibt es unzählige Mythen über die Entstehung der Welt und Lebewesen.

Die Schöpfungsgeschichte

In den verschiedenen Religionen gibt es unterschiedliche Schöpfungsgeschichten. Für den europäischen Kulturkreis ist  die jüdische Schöpfungsgeschichte, die wahrscheinlich zwischen 1000 und 500 v.Chr. im Alten Testament schriftlich festgehalten wurde, am bedeutendsten. Laut ihr schuf Gott in einem einmaligen Akt innerhalb von sieben Tagen die Welt und alle Lebewesen, die heute auf ihr leben. Es wird davon ausgegangen, dass die Arten unveränderlich sind.

Die Antike

Aristoteles (385-322 v.Chr.) war  der Begründer der Naturphilosophie. Er glaubte an eine dualistische Natur zwischen der stofflichen Welt der Körper und Materie auf der einen Seite und der unstofflichen Welt der Seelen, des Geistes und der Lebenskraft (vis vitalis) auf der anderen Seite. Er war der Überzeugung, dass Lebewesen (vor allem Fische und Würmer) durch spontane Urzeugung aus Schlamm entstanden seien. Er ging von einem einmaligen Schöpfungsakt aus.
 

Das Mittelalter

Im Mittelalter wurde die Naturphilosophie von Aristoteles mit der jüdischen Schöpfungsgeschichte in Einklang gebracht. Die Schöpfungsdarstellung der Bibel galt bis ins 18. Jahrhundert als unantastbare Wahrheit. Jeder, der dieser Theorie widersprach, riskierte als Ketzer verfolgt und verbrannt zu werden.
Als der Erbauer des Mikroskops, Loewenhoek, 1675 als Erster Bakterien und Einzeller entdeckt, hielt er trotzdem an der Theorie der Schlammzeugung von Aristoteles fest.

Carl von (1707-1778) und die Lehre von der Konstanz der Arten

Linné führte als Erster eine umfassende Systematisierung der Organismen nach rein äußerlichen Merkmalen durch. Sein Ordnungssystem  galt bis in die 1980er Jahre als einzige Möglichkeit, Pflanzen und Tiere zu klassifizieren. Viele der Verwandtschaftsbeziehungen, die Linné aufgestellt hatte, konnten später durch genetische Untersuchungen bestätigt werden, andere wurden widerlegt. Allerdings erkannte er die Veränderbarkeit der Arten noch nicht und glaubte an einen einmaligen Schöpfungsakt. Das Vorhandensein ausgestorbener Arten begründete er mit Katastrophen wie der biblischen Sintflut.

Cuviers Katastrophentheorie

Baron de Cuvier begründete das Aussterben von Arten mit einer hypothetischen Katastrophentheorie. Verschiedene Naturkatastrophen führten laut Cuvier dazu, dass plötzlich ganze Arten ausstarben. Die überlebenden Arten besiedelten dann das Land neu. Allerdings ließ die Theorie unberücksichtigt, dass es zwischen einigen Arten fließende Artgrenzen gibt.

 

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