Name: Aristid Raillon, 2022-01
Otto Rothe, 2022-01

Geschichte der Retroviren

1908: Die dänischen Pathologen Vilhelm Ellermann und Oluf Bang beschrieben die erste ansteckende Krebserkrankung, als sie 1908 aufzeigten, dass Hühnerleukämie sich durch zellfreie Filtrate auf andere Hühner übertragen ließ.

1911: Peyton Rous stellte fest, dass mit filtrierten Extrakten aus Hühnersarkomen gesunde Hühner infiziert werden konnten, die daraufhin ebenfalls Tumoren entwickelten. Das Virus wurde später nach ihm Rous-Sarkom-Virus (RSV) genannt.

1936: John J. Bittner beschrieb das Maus-Mammatumorvirus (MMTV)

1951: Das Murine Leukämievirus (MLV) wurde isoliert und erstmals die vertikale Übertragung von Eltern auf die Nachkommen beschrieben.

1961: Bei Rous-Sarkom-Viren (RSV) wurde festgestellt, dass diese Ribonukleinsäure (RNA) enthalten. Sie wurden daher bis 1974 als RNA-Tumorviren bezeichnet!

1964: Zellen, die durch RSV Tumor-Eigenschaften erhielten, behielten auch in Abwesenheit des Virus die tumorösen Eigenschaften bei. Aus diesem Grund postulierte Howard M. Temin die Provirus-Hypothese, in Anlehnung an temperente Bakteriophagen, dass RNA-Tumorviren ins Genom ihres Wirts integrieren können. Im Jahr 1968 wurde diese Annahme bestätigt.

1970: die Reverse Transkriptase, durch die RNA in DNA umgeschrieben wird, wird nachgewiesen. Als Folge werden RNA-Tumorviren 1974 in Retroviren umbenannt.

Zu Beginn der 1970er werden ersten viralen Proteine beschrieben und in darauffolgenden Jahren der Replikationszyklus der Retroviren grob aufgeklärt.

1980: Erstbeschreibung des humanen T-Zell-Leukämie-Virus Typ 1 (HTLV-1). Zeitnahe Entdeckung von HIV-1 durch Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi 1986 von HIV-2.

1981: Die vollständige genomischen Sequenz des Moloney murine leukemia virus (dt. Maus-Leukämie-Virus) wird entschlüsselt und publiziert.

Heutzutage ist die Retrovirologie eines der intensivst beforschten Gebiete in der Virologie.

 

Taxonomie von Retroviren

Retroviren werden vom ICTV (International Committee on Taxonomy of Viruses) aufgrund ihrer genetischen Verwandtschaftsverhältnisse in zwei Familien und elf Gattungen unterteilt.

Familie: Retroviren (Retroviridae)

Unterfamilie: Orthoretroviren (Orthoretrovirinae)

Gattungen: Alpha- bis Epsilonretrovirus, dazu kommt noch die Lentivirus Gattung, mit den Spezies HIV-1, HIV-2, SIV, BIV, FIV

Retroviren werden in einfache und komplexe Retroviren unterteilt. Ihre Unterteilung erfolgt auf Grundlage der der Translation von akzessorischen Proteinen. Die Retroviridae gehören mit weiteren Virusfamilien zu den revers transkribierenden RNA-Viren der Virusordnung Ortervirales.

 

Aufbau von Retroviren

Viruspartikel

Infektiöse Retrovirus-Partikel haben einen Durchmesser von etwa 100 nm. Sie besitzen ein Kapsid, das von einer Virushülle umgeben ist, die aus der Zytoplasmamembran der Wirtszelle abgeschnürt wurde und mit viralen Glykoproteinen durchsetzt ist, sowie einen „Kern“ innerhalb des Kapsids aus weiteren Proteinen und einem Ribonukleinsäure-Komplex.

Genom

Das einzelsträngige RNA-Genom der Retroviren ist linear und 7.000–12.000 Basenpaare groß. Retroviren sind als einzige RNA-Viren diploid angelegt.
Im Vergleich:
Der Mensch besitzt 3,1 ⋅ 109 , also 3.101.788.170 Basenpaare
HIV hat gerade mal 9.700 davon

Sie werden von den wirtseigenen Transkriptions-Enzymen übersetzt und synthetisiert und benötigen eine spezifische zelluläre tRNA. Das provirale Genom eines einfachen Retrovirus enthält in der Regel drei Gene und zwei Long Terminal Repeats (LTRs), die sich am Anfang und am Ende befinden und Informationen zur Steuerung der Expression der viralen Gene enthalten.
Bei diesen drei Genen handelt es sich um:

  1. gag (Gruppenspezifisches Antigen), dieses codiert die Matrix-, Kapsid- und Nukleokapsidproteine.
  2. pol (Polymerase), diese codiert die viralen Enzyme Protease, Reverse Transkriptase (mit RNase H) und Integrase. Bei den Beta- und Deltaretroviren hat die Protease ein eigenes Leseraster (pro) und bei den Alpharetroviren befindet sich die Information für die Protease im gag-Gen.
  3. env (Envelope), diese codiert die Proteine der Hülle.

An regulatorischen Sequenzen gibt es im 5'-Bereich eine mit ψ (psi) bezeichnete Sequenz, die ein Signal für das Verpacken der RNA in die Viruspartikel ist, eine Primerbindungsstelle (PBS), an die sich die jeweilige tRNA anlagern kann und einen Promotor. Im 3'-Bereich finden sich ein oder mehr Polypurintrakte, die bei der reversen Transkription essentiell sind. Komplexe Retroviren, wie z. B. das Lentivirus HI, Deltaretrovirus HTLV oder die Foamyviren enthalten noch weitere regulatorische Gene, die als akzessorische Gene bezeichnet werden.

 

Vermehrungszyklus der Retroviren

Zuerst tritt das Virus in die Wirtszelle ein. Dort bindet sich das Glykoprotein spezifisch an zelluläre Rezeptoren, daraufhin verschmilzt die Virale Membran mit der Membran der Wirtszelle und entlässt dort das virale Kapsid ins Cytoplasma. Was mit dem Kapsid im Cytoplasma geschieht ist noch nicht ganz geklärt, vermutlich zerfällt Kapsid in Bestandteile und gibt dessen innere Proteine, wie die reverse Transkriptase, ins Cytoplasma.

Ist dies geschehen beginnt die Reverse Transkription. Hier wird die RNA vom Virus in die  Zelle eingebracht, nun muss die virale RNA in doppelsträngige DNA umgewandelt werden, diesen Vorgang nennt man Reverse Transkription. In den Partikeln des Virus befindet sich die reverse Transkriptase, welche einzelsträngige RNA zunächst in einzelsträngige DNA umwandelt. Die einzelsträngige DNA wird daraufhin in doppelsträngige DNA umgewandelt. Bei dem Vorgang der Reversen Transkription werden ebenfalls die LTR-Sequenzen generiert. 

Danach beginnt das Virus die Kernhülle zu überwinden, einigen Retroviren ist dies nicht möglich, weshalb sie ausschließlich Zellen infizieren können die sich in der Zellteilung befinden. Das Überwinden gelingt ihnen, da in der Zellteilung das Genom nicht durch die Kernhülle geschützt ist. Andere Retroviren können die Kernhülle leicht überwinden, so ist es ihnen möglich auch ruhende Zellen zu infizieren und in den Präintegrationskomplex (PIC) des Cytoplasmas zu gelangen.

Nun folgt die Integration ins Wirtsgenom. Bei diesem Vorgang wird zuerst durch das Enzym Integrase der Virus katalysiert. Das Enzym Integrase bindet an die virale- und die wirts-DNA, danach bildet sie einen Komplex, welchen man Präintegrationskomplex (PIC) nennt. Die Integration kann an jedem Ort im Wirtsgenom erfolgen, es gibt jedoch je nach Retrovirus bevorzugte Integrationsstellen. Daraufhin werden durch die Aminosäuresequenz der Integrase verschiedene Integrationsmöglichkeiten geschaffen.

Zuletzt folgt die Expression und Partikelbildung des Retrovirus. Nach der Integration werden Transkriptionsfaktoren und die RNA-Polymerase aktiviert um die virale-DNA zu transkribieren, bei sehr komplexen Retroviren dienen hier virale Proteine als Transkriptionsverstärker. Es entstehen verschiedene mRNA-Stränge, die dann ins Cytoplasma transportiert werden, wo dann verschiedene virale Proteine translatiert werden. Daraufhin lagern sich diese an die Zellmembran der Wirtszelle an, dort bilden sich Partikel, welche von der Zellmembran überstülpt werden. Dann wird der unreife Viruspartikel zusammen geschnürt und abgetrennt. Nun beginnt sich, innerhalb dieses Partikels, die virale Protease zusammen zu lagern und die Proteine in ihre einzelnen Komponenten zu spalten. Dort setzen sich die dabei entstandenen Kapsidpartikel zu einem konischen Kapsid zusammen, was am Ende dieses Prozesses den Partikel infektiös macht und so auch das Virus.

 

Betroffene Gruppen und Auswirkung von Retroviren

Von Retroviren werden nicht nur Menschen werden infiziert, sondern auch viele andere Säugetiere. Retroviren verursachen verschiedene Krankheiten, wie Tumore oder Immunschwächen. Ein sehr bekanntes Retrovirus ist das Hi-Virus welches bei Ausbruch zu der tödlichen Krankheit AIDS mutiert.