von A. Bleuel, 2012
Nadine & Lena, 2020-01
Das Leben des Kaspar Hauser
Kaspar Hauser, ein Findelkind, tauchte im Mai 1828 zum ersten Mal in Nürnberg auf. Der 16-Jährige trug außer einem Brief, der an den Rittmeister Friedrich von Wessenig adressiert war, nichts bei sich. Er konnte kaum sprechen, stammelte nur und war völlig verwahrlost. Dem Brief, den er bei sich hatte, waren kaum Informationen zu entnehmen. Er stammt von einem anonymen Verfasser, der das Kind in Oktober 1812 vor seiner Tür gefunden habe. Dieser hat Kaspar aufgezogen, aber nie aus dem Haus gelassen. Jetzt, wo der Junge alt genug sei, schickte er ihn los, um ihm den Traum vom Reiten zu verwirklichen, da der Verfasser als Tagelöhner nur sehr wenig Geld hatte.
Kaspar Hauser, Pastell von J. F. C. Kreul
Quelle: Johann Friedrich Carl Kreul; http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/32/Hauser_Kreul.jpg/220px-Hauser_Kreul.jpg
Kaspar Hauser kam zunächst in das Gefängnis unter die Obhut eines Gefängniswärters. Dieser, selbst Vater, lehrte ihm, wie man auf einem Stuhl sitzt, seine Hände gebraucht und neue Wörter spricht. Hauser wurde zu einer Attraktion. Von überall kamen die Leute, um ihn zu begutachten. Dieser ganze Rummel war jedoch zu viel für den Jungen. Es kam zu physischen Reaktionen, wie Fieber oder Zuckungen. Am 18. Juli 1828 siedelte Kaspar in das Huas des Georg Friedrich Daumer über und verblieb dort einige Zeit. Daumer unterrichtete ihn. Kaspar fühlte sich sehr wohl und lernte schnell. Wegen seiner schnellen Lernfähigkeit und seiner durchaus guten Begabung zu malen, führte Daumer einige Tests mit Hauser durch. Nachdem sich verschiedene Juristen und Professoren mit Kaspar Hauser beschäftigten und ihn unterrichteten, stellte man fest, dass dieser während seiner ersten 16 Lebensjahre alleine, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt gefangen gehalten wurde.
Am 17. Oktober 1829 wurde ein erstes Attentat auf Kaspar verübt und er trug eine stark blutende Schnittwunde mit davon. Von da an wurde er rund um die Uhr bewacht. Aus Sicherheitsgründen zog Hauser im Januar 1830 in das Haus des Magistrates Biberbach. Nach einem Unfall mit einer Waffe am 3. April 1830, die er zu seiner Verteidigung erhalten hatte, zog er erneut um, diesmal in das Haus seines Vormundes Gottlieb Freiherr von Tucher.
Lord Stanhope lernte Kaspar im Mai 1832 kennen. Der neue Freund Kaspars wurde im November neuer Vormund und zog mit dem Jungen von Nürnberg nach Ansbach. Dort wohnte er zunächst bei Anselm von Feuerbach und später bei seinem neuen Lehrer Johann Georg Mayer. Stanhope verließ Ansbach und kam nie wieder.
Am 14.12.1833 wurde ein zweites Attentat auf Kaspar Hauser verübt, welches er auch nicht mehr überlebte. Er erlitt eine so schwere Stichverletzung, dass er am 17.12.1833 daran starb.
Die Kleidung von Kaspar Hauser wurde nach dem Attentat beim Königlichen Landgericht Ansbach aufbewahrt, um den zeitgenössischem Gerücht, Hauser sei der 1812 geborene Erbprinz von Baden, den man gegen einen sterbenden Säugling getauscht und beiseitegeschafft habe, um einer Nebenlinie des badischen Fürstenhauses die Thronfolge zu ermöglichen, nachzugehen. Ein Blutfleck, der sich in der Unterhose befand, soll klären, ob der junge Mann tatsächlich der vertauschte badische Erbprinz war. Es wurde versucht, durch diese Erbgutreste Hausers eine genetische Übereinstimmung oder Abweichung zu noch lebenden weiblichen Nachkommen der Herzogin zu ermitteln. Nach zahlreichen Untersuchungen, Analysen und einem ständigen hin und her, kam man heutzutage immer noch nicht genau sagen, ob dieses Gerücht um den Erbprinz wirklich stimmt oder nicht. Kaspar Hauser wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.
Kaspar Hauser-Versuche
Als Kaspar-Hauser-Versuche beschreibt man jene Versuche, bei denen ein Lebewesen völlig isoliert und ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt, somit zu anderen Artgenossen, aufgezogen wird.
Diese Experimente sind wichtig für die Verhaltensforschung. Dabei soll festgestellt werden, welche Fähigkeiten ein Lebewesen von Geburt an besitzt und welche erst im weiteren Verlauf des Lebens, beeinflusst durch die Umwelt, erlernt werden.
Beispiel zu Kaspar-Hauser-Versuch:
Der Psychologe und Verhaltensforscher Harry Frederick Harlow führte mehrere Versuche mit jungen Rhesusaffen durch.
So isolierte er manche Rhesusaffen völlig von äußeren Einflüssen und anderen Artgenossen, außer einem futterspendenden Drahtgestell und einer mit Kissen bespannten Ersatzmutter mit affenähnlichem Gesicht (VG1). Anderen gab er das kissenbespannte Modell als Futterspender und das Drahtgestell ohne Besonderheiten dazu (VG2). Eine weitere Gruppe trennte er nach den ersten sechs Monaten für weitere sechs Monate von den Ersatzmüttern (vom Drahtgestell gefüttert) (VG3). Die letzte Gruppe trennt er direkt nach der Geburt von ihrer Mutter und gibt ihr erst nach acht Monaten die Beiden Ersatzmütter, wobei das Drahtgestell die Fütterungsrolle übernimmt (VG4).
Dabei ergaben sich folgende Ergebnisse:
1. Versuchsgruppe:
• Fütterung:
Das Versuchstier läuft zum Drahtgestell, um zu fressen, begibt sich nach Stillen des Hungers jedoch zur kissenbespannten Attrappe --> Suche nach Schutz und Komfort
• Gefahrensituation:
Das Versuchstier wird einer unbekannten Umgebung oder einem starken Gefahrenreiz ausgesetzt. Dabei wird unterschieden, ob sich nichts in der Nähe befindet, das dem Affen vertraut ist (1), das fütternde Drahtgestell (2), oder eine kissenbespannte Ersatzmutter (3):
(1) Der Affe zeigt eine stark gestörte Verhaltenswiese und sucht ohne Erfolg nach Schutz und Komfort.
(2) Der Affe zeigt das gleiche Verhalten wie bei (1), ignoriert also das Drahtgestell.
(3) Der Affe begibt sich zur mit Kissen bespannten Ersatzmutter und klammert sich an ihr fest, obwohl sie ihm nie Futter gespendet hat. Danach erkundet er die Umgebung.
2. Versuchsgruppe:
• Fütterung:
Das Versuchstier begibt sich zur kissenbespannten Ersatzmutter, die gleichzeitig Futter spendet, und bleibt bei ihr, ohne das Drahtgestell zu beachten.
3. Versuchsgruppe:
• Fütterung:
Bei der Wiedervereinigung begibt sich das Versuchstier direkt zur kissenbespannten Mutter und lässt das fütternde Drahtgestell vorerst außer Acht.
• Gefahrensituation:
Das Versuchstier wird einer unbekannten Umgebung ausgesetzt. Dabei wird unterschieden, ob sich nichts in der Nähe befindet, das dem Affen vertraut ist (1) oder eine kissenbespannte Ersatzmutter, die durch einen Gefahrenreiz und überwindbare Blockaden vom Tier abgeschnitten ist (2):
(1) Der Affe zeigt eine stark gestörte Verhaltensweise und rollt sich auf der Suche nach Schutz in einer Ecke zusammen.
(2) Der Affe überwindet die Barrieren und klammert sich an die kissenbespannte Ersatzmutter.
4. Versuchsgruppe:
• Fütterung:
Der Affe verbringt nach einer Eingewöhnungsphase die Meiste Zeit bei der kissenbespannten Mutter und geht nur zum Fressen zum Drahtgestell.
• Gefahrensituation:
Das Versuchstier wird einer unbekannten Umgebung oder einem starken Gefahrenreiz ausgesetzt. Dabei wird unterschieden, ob sich nichts in der Nähe befindet, das dem Affen vertraut ist (1), das fütternde Drahtgestell (2), oder eine kissenbespannte Ersatzmutter (3):
(1) Der Affe zeigt eine stark gestörte Verhaltenswiese und sucht ohne Erfolg nach Schutz und Komfort.
(2) Der Affe zeigt das gleiche Verhalten wie bei (1), geht ab und zu trotzdem zum Drahtgestell.
(3) Der Affe zeigt das gleiche Verhalten wie bei (1), geht ab und zu trotzdem zur kissenbespannten Ersatzmutter.
Ein weiterer Versuch zeigt, dass Versuchstiere, die von Anfang an die kissenbespannte Ersatzmutter kennen, direkt zu ihr rennen, um Schutz vor einem starken Gefahrenreiz zu suchen. Tiere, die vollständig isoliert waren, verstecken sich hingegen in einer Ecke, von der aus sie den Gefahrenreiz nicht mehr sehen können. Sie ignorieren also die mit Kissen bespannte Ersatzmutter.
Isolationsversuche sind jedoch äußerst umstritten und werden heutzutage nicht oder kaum mehr durchgeführt, da das Versuchstier bleibende psychische Schäden erleidet, die in keinem Verhältnis zu den erzielten Erkenntnissen stehen.