Namen:
Soufian Pöthe, 2018
Magdalena Moalem, 2024

 

Bei der Populationsgenetik handelt es sich um einen Forschungszweig der Genetik.

 

Populationsgenetik

Populationsgenetik ist ein Teilgebiet der Genetik, das sich mit Vererbungsvorgängen innerhalb von Populationen und deren Genpool befasst, indem es zum Beispiel die Häufigkeit von Allelen in einer Population und die Änderungen von Allelfrequenzen und die ihnen zugrundeliegenden Faktoren wie Mutation, Selektion oder Gendrift untersucht. Sie hat eine große Bedeutung in der Evolutionsforschung, sowie in der Tier- und Pflanzenzucht.

Der wichtigste Grundsatz der Populationsgenetik ist das schon 1908 von Wilhelm Weinberg und Godfrey Harold Hardy entdeckte Hardy-Weinberg-Gesetz. Dabei handelt es sich um die Berechnung eines mathematischen Modells. Man geht dabei von einer in der Realität nicht vorzufindenden idealen Population aus. Als eine ideale Population bezeichnet man, dass es keine Selektionsnachteile bestimmter Genotypen gibt, es keine Mutationen gibt, es keine Bevorzugung bestimmter Genotypen bei der Zeugung der Nachkommen gibt, es keine Zufallseffekte gibt (sehr große Population) und es letzten Endes keine Zu- oder Abwanderung gibt. Dies bedeutet, dass keine Evolution stattfindet, da keine Evolutionsfaktoren greifen. Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht wird trotz seines modellhaften Charakters zum Ableiten von populationsgenetischen Gesichtspunkten vom Modell auf die Realität verwendet.

Anders als bei der Genetik untersucht jedoch die Populationsgenetik den Genpool (Gesamtheit aller Genvariationen einer Population) einer gesamten Population (Gruppe von Individuen einer Art, welche den gleichen Lebensraum haben und sich miteinander fortpflanzen können.) und nicht das Genom eines einzelnen Organismus.

Dabei werden v.a. die Gen-/Allelfrequenzen, d.h. die Häufigkeit des Vorkommens der zu untersuchenden Gene/Allelen in der Population und deren Änderung im Verlauf der Zeit analysiert. Für diese Veränderungen, welche als Evolution bezeichnet werden, sind Faktoren, wie Mutation, Rekombination, Genfluss, Gendrift und Selektion, verantwortlich.

Die Populationsgenetik untersucht demnach Vererbungsvorgänge innerhalb von Populationen und hat besonders in der Evolutionsforschung (Inhalt der Synthetischen Evolutionstheorie) und in der Pflanzen- und Tierzucht Bedeutung.

 

 

Das Hardy-Weinberg-Gleichgewicht:

  • in realen Populationen herrschen permanent Selektionsfaktoren vor, die eine Gleichverteilung der Allele unmöglich machen
  • die fitteren Allele werden nach einer längeren Zeit häufiger sein
  • es bleibt jedoch immer eine gewisse genetische Vielfalt erhalten

"ABBILDUNG"

Als Faktoren, die genetische Veränderungen in Populationen bedingen, kommen alle Evolutionsfaktoren in Betracht, so vor allem Mutation, Selektion und Seperation, geographische Isolation, aber auch Inzucht, Fortpflanzung und Zufallswirkung durch Alleldrift (Gendrift). Die Frequenz bestimmter Allele kann in verschiedenen, geographisch getrennten Populationen derselben Art durch diese Faktoren unterschiedlich sein. 

 

Als Beispiel für Häufigkeiten der Genotypen soll eine Birkenspannerpopulation von 100 Tieren dienen, in deren Genpool also 200 Allele für die Flügelfarbe (hell und dunkel) vorkommen. Darunter sollen sich 120 Allele A (dunkel) und 80 Allele a (hell) befinden. Die Häufigkeit p für das Allel A beträgt somit 120:200=0,6 oder 60%. Somit beträgt die Häufigkeit q für das Allel a 80:200=0,4 oder 40%. Die Häufigkeiten der Genotypen ergeben sich dann aus den möglichen Kombinationen, wie man sie aus Kreuzungsquadraten kennt: 

  • Die Häufigkeit von AA beträgt p2, also hier 0,36 öder 36%
  • Die Häufigkeit von Aa bzw. aA beträgt 2pq, also hier 0,48 oder 48%
  • Die Häufigkeit von aa beträgt q2, also hier 0,16 oder 16% 

Somit gibt es nur 16% helle Falter neben 84% dunklen Faltern. 

Hinsichtlich der Unterschiede zwischen Populationen des Menschen sind u.a. die Blutgruppen gut untersucht. Die Frequenz von Allelen, die Krankheiten bedingen können (Erbkrankheiten), ist bedeutsam für die genetische Familienberatung. Dadurch bestehen enge Beziehungen der Populationsgenetik zur Humangenetik.

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Evolutionsfaktoren

Mutationen 

Nur durch Mutationen können neue Gene bzw. neue Allele in einem Genpool auftreten. Sie entstehen spontan, zufällig, können vererbt werden und sind dabei, anders als Modifikationen, keine Antwort auf äußere Umwelteinflüsse. 

Die einzige Ausnahme sind Mutationen, die durch sog. Mutagene entstehen, also nicht zufällig auftreten.

Die verschiedenen Typen von Mutationen sind: Genommutationen (Veränderung der Chromosomenzahl), Chromosomenmutationen (Veränderung der Chromosomengestalt) und Genmutationen (Veränderung der Basensequenz).

Mutationen treten nur sehr selten auf (bei Vielzellern liegt die Mutationsrate bei 10 ^-6 pro Gen und Generation), dennoch ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Mutation an einem Gen eines Organismus aufgrund der großen Gesamtzahl aller Gene relativ hoch.

 

Rekombinationen

Durch Rekombinationen entstehen Individuen mit neuen Genkombinationen, sie führen also nicht zur Ausbildung neuer Allele in einer Population, erhöhen jedoch die genetische Variabilität eines Genpools.

Entstehungsmöglichkeiten für Rekombination:

  • interchromosomale Rekombination (zufällige Verteilung der elterlichen Chromosomen bei der Meiose)
  • intrachromosomale Rekombination (Crossing-over)
  • Zusammentreffen zufälliger Samen- und Eizellen bei der Befruchtung

 

Genfluss

Der Begriff Genfluss bezeichnet den genetischen Austausch mehrerer Populationen derselben Art durch Migration. Die Ein- und Auswanderung einzelner Individuen in andere Populationen sorgt für eine Steigerung der Vielfalt der jeweiligen Genpools, da sie miteinander vermischt werden und so neue Allele in die entsprechenden Populationen gelangen.

Voraussetzungen für Genfluss:

  • Populationen müssen derselben Art angehören 
  • Individuen, welche sich fortpflanzen können
  • räumliche Nähe

 

Gendrift

Durch zufällige Ereignisse (z.B. Krankheiten, Naturkatastrophen, etc.) kann es zu einer Verkleinerung oder Vergrößerung bestimmter Allelfrequenzen in einer Population kommen, weil möglicherweise nur Träger bestimmter Allele überleben oder der einzige Träger eines spezifischen Allels der Population stirbt. Dieses Phänomen nennt man Gendrift.

Besonders kleine Populationen trifft er besonders hart, da ihr Genpool aufgrund seiner Größe eine meist schon ohnehin geringere genetische Variabilität aufweist. 

Eine besonders drastische Form der Gendrift, welche oft zu einem Aussterben der Population bzw. Art führt, beschreibt der Flaschenhalseffekt.

Hier kommt es, durch eine Katastrophe, zu einem plötzlichen Sterben des Großteils der Population, und nur eine kleine Zahl an Individuen überlebt zufällig. Die daraus resultierende schlagartige Verarmung der genetischen Vielfalt und der Größe des Genpools generell kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen.

Die Wahrscheinlichkeit für Inzucht steigt beispielsweise stark an. Dies zieht nach weiteren Generationen weitere Folgen nach sich, da rezessive Krankheiten bei Inzucht vermehrt auftreten.

 

Abbildung

 

Gründereffekt

Wird ein Teil einer Stammpopulation durch Zufall von dieser getrennt und siedelt sich in einem neuen Lebensraum an, so ähneln die daraus resultieren Auswirkungen denen des Flaschenhalseffektes. Die Folge ist ebenfalls die Repräsentation eines nur sehr geringen Teils des ursprünglichen Genpools, wobei in diesem Fall die Stammpopulation immer noch existiert.

Diesen Effekt nennt man Gründereffekt.

 

Selektion und ihre Auswirkungen

Die beschriebenen Evolutionsfaktoren treten zufällig auf, unerheblich, ob sie dem Organismus, in dem sie auftreten, einen Vorteil im Überlebenskampf in ihrer Umgebung schaffen oder nicht. Erst die Selektion führt zu einer natürlichen Auslese der vorteilhaften Evolutionsergebnisse.

Dabei haben Organismen mit einer größeren reproduktiven Fitness (Organismen, die im Vergleich zu anderen mehr Nachkommen zeugen) einen Vorteil.

Bsp.: Grasfrösche und v.a. deren Eier und Kaulquappen haben viele Fressfeinde, deswegen legen sie ca. 700-4500 Eier, damit die Chance des Überlebens einiger Nachkommen höher wird.

 

Die verschiedenen, in der Natur auftretenden, Selektionsfaktoren lassen sich in zwei Kategorien unterscheiden.

Abiotische Selektionsfaktoren (nicht lebende), z.B.: 

  • Temperatur (Tiere, die in kälteren Regionen leben, sind meist kleiner als ihre in warmen Regionen lebenden Artgenossen)
  • Gifte (Resistenzbildung von Bakterien bei z.B. Antibiotikum)
  • Wind (flügellose Insekten in windigen Regionen)

 

Biotische Selektionsfaktoren (lebende) :

  • Fressfeinde und Beute (Bsp. bessere Tarnung durch Mutation bei Birkenspannern)
  • Parasiten (Verbreitung von Sichelzellenanämie durch Malariaerreger)
  • Konkurrenten (Theorie, dass sich Giraffen immer größer entwickelten, um weniger Nahrungskonkurrenz zu haben)

 

Selektionsformen

Die zuvor beschriebenen Selektionsfaktoren haben einen Einfluss auf die Entwicklung einer Population, den Selektionsdruck.

Je nachdem, an welcher Stelle dieser Selektionsdruck ansetzt, handelt es sich um verschiedene Selektionsformen.

  • transformierende Selektion: einseitiger Selektionsdruck verändert den Genpool in eine angepasstere/entgegengesetzte Richtung
  • stabilisierende Selektion: bei einer bereits gut angepassten Population werden extreme Varianten eliminiert und eine weitere Entwicklung verhindert 
  • disruptive Selektion: wenn Populationsteile unterschiedlichen Umweltbedingungen ausgesetzt sind, entwickeln sie sich in unterschiedliche Richtungen (bei extremen Fällen entstehen unterschiedliche Arten)

 

Abbildung

 

Sexuelle Selektion 

Die sexuelle Selektion, eine besondere Art der Selektion, war Darwins Erklärungsansatz für den Sexualdimorphismus. Dieser beschreibt das Phänomen, dass männliche Tiere meist ein auffälligeres Aussehen als die Weibchen haben, obwohl sie dadurch Nachteile bei der Tarnung haben. Ein Beispiel dafür sind Pfauen, da sie durch die auffällige Farbgebung und die Länge der Schwanzfedern der Männchen schneller die Aufmerksamkeit ihrer Fressfeinde erregen.

Das good-genes-Modell ist ein möglicher Erklärungsansatz für die sexuelle Selektion. Laut ihm zeigt der ausgeprägte Körperbau des Männchens dem Weibchen, dass es gesund und, trotz der hinderlichen langen Schwanzfedern, besonders überlebensfähig ist.

 

Hardy-Weinberg-Gesetz

Das Hardy-Weinberg-Gesetz ermöglicht es Forschern in der Populationsgenetik annähernd Veränderungen von Allelfrequenzen in einer Population zu berechnen. Diese Berechnungen gehen immer von einer idealen Population aus, weswegen man sie nur annähernd in der Realität anwenden kann.

Faktoren für eine ideale Population:
  • besonders große Population (Gendrift irrelevant)
  • Panmixie (alle Individuen können sich untereinander paaren)
  • Keine Mutation 
  • Keine Migration
  • Keine Selektion

Folglich sind in einer idealen Population keine genpoolverändernden Faktoren vorhanden.

 

Ist eine (annähernd) ideale Population vorhanden, so gilt:

Die Allelfrequenz und die Genotypenfrequenz des Genpools der Population bleiben immer konstant.

Rechnung:
  • Allelfrequenz:   p + q = 1
  • Genotypenfrequenz: p^2 + 2pq + q^2 = 1 (konstant)

 

Beispiel:

Eine Mäusepopulation aus 50 weißen Mäusen (aa), 150 schwarzen Mäusen (AA) und 100 grauen Mäusen (Aa). Diese Population besteht somit aus 600 Allelen. 

Berechnung der Frequenzen:

  • Häufigkeit p (von A):   p =  [ (150x2) + 100 ]  / 600 = 2/3
  • Häufigkeit q (von a):   q =  [ (50x2) + 100 ]  / 600 = 1/3

  Allelfrequenz Ausgangspopulation:   p + q = 2/3 + 1/3 = 1

 

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Keimzelle dieser Population das Allel A enthält liegt also bei ca. 66 %. Damit beim Paarungsvorgang eine schwarze Maus entsteht, müssen jedoch beide Keimzellen das Allel A enthalten. Die Wahrscheinlichkeit dafür lässt sich wie folgt berechnen:

  • p x p = p^2 = (2/3) x (2/3) = 4/9      (Also ca. 44 %)

 

Die Genotypenfrequenz der folgenden Generation berechnet man mit der genannten Formel (p^2 schwarze Mäuse, pq graue Mäuse, q^2 weiße Mäuse):

  • p^2 + 2pq + q^2 =  4/9 + 4/9 + 1/9 = 1

 

Allelfrequenz der folgenden Generation: 

  • p = 4/9 + (4/9)/2 = 2/3
  • q = (4/9)/2 + 1/9 = 1/3

Die Allel- und Genotypenfrequenzen haben sich nicht geändert, Evolution ist also nur möglich, wenn keine Idealpopulation vorliegt.

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