Name: Paul M. und Michelle Rausch, 2012

 

Was ist Hospitalismus?

Beim Hospitalismus unterscheidet man zwischen psychischem (seelischem) und infektiösem (körperlichem) Hospitalismus, welche auf mangelnde emotionale Zuwendung und mangelnde Reizvermittlung zurückzuführen sind.

 

Psychischer Hospitalismus (Deprivationssyndrom)

Unter dem psychischen Hospitalismus versteht man eine Entwicklungsverzögerung oder Entwicklungsstörung nach längeren Krankenhaus- oder Heimaufenthalten, hervorgerufen durch unpersönliche Betreuung oder mangelnde persönliche Zuwendung.

Besonders gefährdet sind dabei Kinder! Hierbei kann Hospitalismus durch zum Beispiel lieblose Betreuung zu Hause oder in Heimen (Haltung des Kindes in Gitterbetten ohne Freiraum zum Spielen), Trennung der Eltern, Alkoholismus oder Überlastung der Mutter, etc. hervorgerufen werden. Meistens handelt es sich dabei um fehlende soziale Zuwendung.

Harry Harlow wies dies in einem Versuch mit Rhesusaffen nach, indem er zeigte, dass Kuscheln bei Lebewesen einen sehr hohen Stellenwert hat (Link). In Problemfällen werden also das von Erik H. Erikson entdeckte Urvertrauen und die von René Spitz entdeckte Mutter-Kind-Bindung (beides in den ersten Lebensjahren) wieder zerstört.

 

Kaspar-Hauser-Syndrom

Das Kaspar-Hauser-Syndrom bezeichnet die schwerste Form von Hospitalismus, welches bei völligem Reizentzug in Kombination mit Misshandlung bzw. falscher Haltung oder Einpferchung eintritt und eine Störung der Entwicklung mit sich zieht.
Des Weiteren kann es sich neben körperlicher und geistiger Unterentwicklung auch in extremer Ängstlichkeit äußern.

  

Infektiöser Hospitalismus (nosokomiale Infektion)

Unter dem infektiösen Hospitalismus versteht man eine durch einen Klinikaufenthalt verursachte Infektionen (Übertragen von Mensch/Tier oder auch durch Verunreinigung von Flächen, Pflegeutensilien, etc.).

 

Was für Auswirkungen gibt es?

  • Der Hospitalismus bedeutet eine pathologische Veränderungen im Verhalten oder Wesen eines Patienten. Beim physischen Hospitalismus erleidet der Betroffene einen Rückgang in Antrieb, Wahrnehmung, Reaktion, Denken, Konzentration und Leistung.
  • passive Grundeinstellung und Teilnahmslosigkeit sowie Störung des Appetits, auffällig infantiles Verhalten (z.B. Daumenlutschen und Bettnässen), einer Entwicklungsverzögerung, Angstzuständen, geringer Frustrationstoleranz, Reizbarkeit und Aggression. Bei Langzeitpatienten können auch starke Depressionen auftreten.
  • Weiterhin typisch sind motorische Unruhen, die bis hin zur Selbstverletzung (z.B. Kopf an die Wand schlagen) gehen oder das bekannte "Schaukeln" mit dem Oberkörper. Folgen für das spätere Leben sind Bindungsstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Anpassungsstörungen und das Auftreten von Depressionen.
  • Beim infektiösen Hospitalismus infiziert sich der Betroffene mit Krankheitserregern, was vorwiegend in Krankenhäusern auftritt.
  • Lernstörungen, Leistungsschwäche
  • Depressionen und Weinerlichkeit
  • geringes Selbstwertgefühl

 

Was kann man dagegen tun - Behandlung und Prognosen?

Gegen den psychischen Hospitalismus hilft besonders Zuwendung, Liebe und Fürsorge für die zu Pflegenden. Auch eine Besserung der Lebensumstände bewirkt viel. Deshalb gilt, je früher der Mensch aus der Situation der Vernachlässigung herauskommt, desto besser sind die Aussichten auf schnelleres und völliges Verschwinden der Symptome. Dementsprechend werden auch Waisen so früh wie möglich in geeigneten Pflegefamilien oder Kinderdörfern untergebracht.

Die Aufgabe von Sozialarbeitern besteht heutzutage darin, Familien (insbesondere Mütter) zu unterstützen und zu entlasten (Erziehungshilfe) und psychiatrische Anstalten und Heime gemütlich einzurichten, damit ein Wohlfühleffekt bei den Patienten entsteht.

Beim infektiösen Hospitalismus ist eine genaue Beachtung der Hygienevorschriften, die Desinfektion medizinischer Geräte in Krankenhäusern und das Vermeiden von Resistenzbildung bei Medikamenten wichtig.

Je nach Schweregrad sind die Symptome beim psychischen und infektiösen Hospitalismus behandelbar, durch die jedoch schwierige Trennung beider ist oftmals eine tiefgründige Behandlung nötig.

Die Symptome gehen bei Besserung der äußeren Umstände, z. B. durch intensive Zuwendung und/ oder den Wechsel in eine liebevolle und fürsorgliche Umgebung, deutlich zurück und verschwinden mit der Zeit.

Hat sich aufgrund der seelischen Deprivation keine andere Störung wie z. B. eine reaktive Bindungsstörung entwickelt, verschwinden die Symptome mit Besserung der Lebensumstände sowie geduldiger und liebevoller Zuwendung.

Es gilt: je früher der Mensch aus der Situation der Vernachlässigung heraus kommt, umso besser sind die Aussichten auf schnelles und völliges Verschwinden der Symptome

Bei schwerer erfahrener seelischer Deprivation kann eine längerfristige intensive psychotherapeutische Behandlung erforderlich werden, doch auch hier sind die Prognosen gut, wenn das Kind so schnell wie möglich aus der Situation der Vernachlässigung heraus und in eine liebevolle und fürsorgliche Umgebung kommt.

 

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